Homeoffice - Himmel oder Hölle?
Mit Kind nie wieder!
Christiane Weyen, Datenschutzkoordinatorin und Mutter eines sechsjährigen Sohnes, hatte sich früher gefragt, ob Homeoffice nicht eine gute Alternative für sie wäre. Nach Corona kennt sie die Antwort: Nein.
"Der Wecker klingelt, es ist 4.30 Uhr. Ich schleiche mich ins Wohnzimmer und schalte den PC an. Kaffee gibt es erst später, die Kaffeemaschine würde meinen Sohn wecken. Also begnüge ich mich mit der abgestandenen Cola des Vortages. Ich beantworte die ersten Mails. Prompt bekomme ich die Antwort eines Kollegen. Es ist 4.52 Uhr… Kurz bin ich irritiert, dann fällt mir ein: Auch er hat eine kleine Tochter. Wir teilen das gleiche Schicksal der Homeoffice-Corona-Eltern.
Um 6.43 Uhr schleicht ein kleiner Mann mit Kuschelkissen und Lieblingsfrosch unter dem Arm ins Wohnzimmer. Der Corona-Arbeitsalltag mit Kind beginnt. Für den Rest des Tages befinde ich mich in einem ständigen Spagat zwischen Kindererziehung, Kinderbespaßung und den Pflichten einer Arbeitnehmerin. Während ich in einem Telefonat versuche, datenschutzrechtliche Problemstellungen mit einer Kollegin zu erörtern, schmiere ich meinem Sohn ein Marmeladenbrot und schneide ihm einen Apfel klein. Plötzlich steht der kleine Mann wieder neben mir. "Mama, ich komme nicht am Endgegner vorbei! Du musst mir helfen…!" Als Multi-Tasking-Mutti beherrsche ich es inzwischen einen Endgegner im Computerspiel zu besiegen, mir den Rest Marmelade vom Finger zu wischen und ein Telefonat zu führen.
Um 13 Uhr kippt die Stimmung. Die Sonne scheint. "Das Kind muss an die Luft!" Also beende ich den ersten Teil des Arbeitstages und konzentriere mich auf meinen Sohn. Bewaffnet mit Diensthandy geht es auf den Spielplatz. Dort begegnen mir die anderen Muttis mit genervten und unausgeglichenen Kindern.
Auf dem Rückweg geht es noch kurz in den Supermarkt. Während ich meinem Sohn versuche zu erklären, warum er in der aktuellen Situation keine Scheibe Wurst an der Theke bekommen kann, klingelt wieder mein Handy. Ich versuche, die Situation zu retten und ziehe meinen Sohn zum Schokoladenregal, während mir eine Kollegin ihr Problem schildert. Hinter mir an der Kasse ernte ich missbilligende Blicke und höre den Kommentar der älteren Dame, dass es unmöglich sei Kinder mit in den Supermarkt zu nehmen; es sei schließlich überall Corona, und sie müsse geschützt werden. Ich drehe mich um, und der Stress der letzten Tage entlädt sich. Ich erkläre der Dame, dass man als alleinerziehende, vollzeitberufsstätige Mutter aktuell keine Alternativen hat und ich mein Kind schlecht draußen am Eingang anbinden kann.
Wieder Zuhause angekommen koche ich das Abendessen, bade mein Kind und trockne seine Tränchen, nachdem er mir erzählt, dass er seine Freunde vermisst. Es ist 20.39 Uhr, als ich mich wieder an den Schreibtisch setze und mir ein neues Glas Cola eingieße...
Aus heutiger Sicht sage ich zum Homeoffice: "In Kombination mit Kind nie wieder!" Das ständige Gefühl weder dem Kind noch dem Job gerecht zu werden, war für mich belastend und frustrierend. Zudem fand mein Arbeitstag kein klares Ende, und ich hatte das Gefühl ständig zu wenig getan zu haben."
Still, aber gut für die Konzentration
Robert Robaszynski arbeitet für die Informationstechnologe in der IT-Abteilung des Caritasverbands. Homeoffice war für ihn kein Thema - bis Corona kam. Jetzt kann er der Arbeit zu Hause Vorteile abgewinnen:
"Robert, wir schicken jetzt möglichst alle ins Homeoffice! Ab Morgen kannst du von Zuhause aus arbeiten!" Die Nachricht trifft mich überraschend. Ich packe ein paar Unterlagen ein und nehme den Laptop mit. Als "Computer-Spieler" habe ich zuhause einen eingerichteten Arbeitsbereich mit Schreibtisch und Bürostuhl. Dort werde ich den Laptop des Verbands anschließen.
Am nächsten Morgen beginnt meine Homeoffice-Zeit. Ich koche einen Kaffee und setze mich an den PC. Die Stille ist ungewohnt, aber ich liebe es. Zuerst beantworte ich die Mails bzw. Tickets und bin erstaunt, wie schnell alles erledigt ist, wenn keiner mich ablenkt. Genau viermal geht an diesem Morgen das Diensthandy, und auch von Zuhause aus kann ich den Kollegen schnell helfen.
Um 10 Uhr meldet sich mein Magen. Ich mariniere mehrere Stücke Sparerips und schiebe sie bei niedriger Temperatur in den Backofen. Durch Corona habe ich genug Zeit für mein Lieblingsessen. Der Rest des Arbeitstages vergeht wie im Fluge und ich schaffe es endlich eine Schnittstelle fertig zu programmieren. An den Tagen im Büro fehlt mir oft die Ruhe für diese Aufgaben. In der IT-Abteilung ist nämlich immer viel los. Zusammen mit meinen drei Kollegen halten wir die IT-Systeme am Laufen und sind Anlaufstelle für viele Mitarbeiter, die spontan in die Geschäftsstelle kommen. Im Homeoffice entfallen diese Unterbrechungen und mit dem guten Gefühl eine Menge geschafft zu haben, klappe ich den Laptop zu.
Kurz vor Feierabend habe ich noch einmal mit dem Chef telefoniert und mich bezüglich des ersten Testlaufs für die neue Schnittstelle beraten. Ein paar Kleinigkeiten werde ich morgen noch anpassen und dann sollte es laufen. Inzwischen knurrt der Magen wieder, und ich lasse mir den Rest der Rippchen schmecken. Nach dem Essen tut ein Spaziergang ganz gut, dabei fällt mir ein, dass ich noch gar nicht die Wäsche gemacht habe. Egal, das kann ich morgen, in meinem zweiten Homeoffice-Tag bestimmt zwischendurch noch machen.
Mein Fazit: Am Anfang war es komisch zuhause zu arbeiten. Es ist sehr still und daran musste ich mich gewöhnen. Der Vorteil liegt für mich darin, mich auf bestimmte Aufgaben, wie z.B. das Programmieren voll konzentrieren zu können. Was mir aber auch sehr fehlt, sind die Kollegen und auch der Trubel drum herum. Ich könnte mir vorstellen für bestimmte Aufgaben zwischendurch ins Homeoffice zu wechseln, aber nicht 5 Tage die Woche!